Wer Sport treibt braucht auch Abwechslung, sonst wird es langweilig. Das wissen Fußballer, TT-Spieler aber vor allem auch Läufer.
Nur über asphaltierte 10 KM Strecken zu hetzen ist auf Dauer langweilig. Neue Reize müssen gesetzt werden um den Spaß zu erhalten. Grenzerfahrungen eignen sich dafür am besten. Eine solche Erfahrung ist Deutschlands größter 24 Stunden Lauf, der jedes Jahr in Delmenhorst stattfindet. Dank einer Einladung des "Team Laufrausch" aus Oldenburg, in deren erster Mannschaft mitzulaufen, hatte ich dieses Jahr die Möglichkeit daran teilzunehmen. Zwar hätte man auch als Einzelteilnehmer starten können (was auch 100 Personen taten) aber so bekloppt bin ich dann doch NOCH nicht. Vielleicht nächstes Jahr. Man muss sich ja auch was aufsparen fürs Leben.
Samstags um 12 Uhr Mittags machten sich 80 Teams auf die Reise. Ein Team durfte aus maximal 10 Personen bestehen, ein Mix Team (wir waren ein Mix Team) musste mindestens 3 Frauen dabei haben. Es galt immer wieder die gleiche, 1,2 KM lange Strecke zu umrunden. Hierbei war zu beachten, dass kein Teilnehmer die Runde zweimal hintereinander laufen durfte. Kontrolliert wurde das Ganze durch einen Chip am Fußgelenk und es erfolgte nach jeder Runde eine Staffelstabübergabe. Alles andere konnte frei gewählt. Hier waren den Teams taktisch keine Grenzen gesetzt.
Wir starteten zunächst mit der kompletten Mannschaft, die aus 9 Mitgliedern bestand. Das bedeutete, dass man nach seiner Runde 8 Teammitglieder zwischen sich hatte, bis man wieder an der Reihe war. Das waren bei unserem Tempo ca. 40 Minuten. Allerdings musste man sich vor jeder Runde auch noch wieder aufwärmen. Die Runde selber lief man eigentlich immer am Anschlag, also wirklich so schnell wie man nur irgendwie konnte. In Fachkreisen auch „Kotzgrenze“ genannt. Dazwischen hieß es essen, trinken und schnell regenerieren, was nach jeder Runde schwieriger wurde.
Ab 23:00 Uhr teilten wir unsere Gruppe auf. 4 Personen hatten die Runde für 3 Stunden für sich. Das bedeutete für die anderen: Schnell duschen, flink was essen und ab in den Schlafsack. An Schlaf war aber kaum zu denken. Es war einfach viel zu unruhig auf dem Gelände und als dann in der Nacht um 1:30 Uhr der Wecker klingelte war man völlig gerädert. Von 2:00 Uhr bis 5:00 Uhr morgens quälte sich dann die andere Hälfte des Teams über die Runde. Die Pausen betrugen dadurch natürlich nur noch 20 Minuten.
Ab 5:00 Uhr morgens waren wir wieder komplett. Allerdings waren viele von uns schon an der Grenze ihrer Belastbarkeit angelangt und unsere „Personal Physiotherapeutin“ Meike hatte alle Hände voll zu tun. Sie baute Ihre Liege direkt an der Wechselzone auf, massierte harte Waden, tapte Knie oder machte die Oberschenkel wieder locker.
Um 7:00 Uhr morgens lagen wir auf Platz 4 mit etwas mehr als 2 Runden Rückstand auf Platz drei. Wir waren in der Nacht einfach zu langsam und es waren nur noch 5 Stunden. Wir mussten etwas tun. Also stellten wir die Mannschaft taktisch etwas um und die angeschlagenen Teammitglieder liefen nicht mehr jede Runde. Dadurch mussten die anderen zwar mehr laufen aber da sich alle gegenseitig pushten war das kein Problem. Die Sonne kam raus, die Müdigkeit war weg, die Zeiten wurden wieder schneller und nach jeder Runde starrte man auf den Monitor mit der Rangliste. Wir holten auf und eine Stunde vor dem Ende wussten wir, wir haben es geschafft. Aus 2,5 KM Rückstand hatten wir mehr als 4 KM Vorsprung rausgelaufen. Und nach 23 Stunde, 59 Minuten und 43 Sekunden liefen dann alle zusammen mit Gänsehaut über die Strecke.
Am Ende standen 270 Runden und 325,531 KM auf der Uhr. Platz drei der Mix-Staffeln in diesem Jahr und die sechstbeste Leistung seit bestehen des Laufs. Fast wäre Platz zwei noch drin gewesen aber das haben wir uns dann für das nächste Jahr aufgespart, denn obwohl wir uns Nachts ja geschworen hatten so etwas nie wieder zu tun, ist klar, dass wir nächstes Jahr wieder am Start sind. Glückwunsch auch noch einmal an unsere zweite Mannschaft, die sich in einem furiosen Finish noch den 10. Platz sicherte.
Danke "Team Laufrausch", dass ich dabei sein durfte. Wieder ein Lauf den ich nie vergessen werde und den nicht jeder auf seiner Vita hat.


